Die enorme Kraft des Bindegewebes nutzen

Faszien sind momentan in aller Munde. In der Naturheilkunde sind sie schon lange bekannt. Aber in der Medizin spielten sie lange so gut wie keine Rolle. Seit einigen Jahren wird zunehmend geforscht und diese Forschung beweist zunehmend Aussagen der Ernährungsmedizin und der neuen Schmerz- sowie Bewegungstherapie.

 

Vor Beginn dieser Forschung ging es beim Bindegewebe vor allem um die Transport- und Fließfähigkeit der in ihr zirkulierenden Zwischenzellflüssigkeit. Vor allem davon hängt ab, dass sich keine Abfallstoffe in ihr stauen. Denn die Zellen können nur gut mit Nährstoffen versorgt werden, wenn die Flüssigkeit frei von unerwünschten Inhaltstoffen ist. Die große Bedeutung des Fasziennetzes zeigt folgendes Bild deutlich: Würde man alles aus dem Körper entfernen, was nicht zur Faszie gehört, würde er sich so gut wie nicht ändern. Man sähe ein Netzwerk unendlich vieler Fäden. Das liegt daran, dass die Faszie jede unserer 90 Billionen Zellen miteinander verbindet. Würde man dagegen die Faszie entfernen, läge da ein Haufen ungeordneter Zellen in einer Pfütze.

 

Wie wir inzwischen wissen, verändert sich dieses komplexe, dreidimensionale Netzwerk in jeder Sekunde. Kleine Spinnentierchen, so genannte Fibroblasten, spinnen permanent neue Fäden, nehmen sie weg oder flechten stärkere Verbindungen. Eine gesunde Faszienstruktur kann man mit der Scherengitterstruktur einer Damenstrumpfhose vergleichen. Sie macht Faszien hochelastisch und bildet Strömungskanäle, durch die Nährstoffe zu den Zellen „hinschwimmen“ können und Abfallstoffe wegtrans

portiert werden können. Der Baumeister der Faszienstruktur ist unsere Körperbewegung, die wir im Alltag verwenden. Die Fibroblasten „weben“ Scherengitter nur dann, wenn die Muskeln unseren Körper und die Gliedmaßen regelmäßig vollständig in alle Beuge- und Streckwinkel hineinbewegen.

 

Da wir unsere möglichen Bewegungswinkel nur zu erschreckenden 10 – 15 Prozent nutzen, sie also zu 85 – 90 Prozent unbenutzt bleiben, weben die Fibroblasten – so die neueste Faszienforschung – eine verfilzte Faszienstruktur. Diese können Sie sich vorstellen wie einen zu heiß gewaschenen Wollpullover. Er wird viel zu eng und klein und ist fast undurchlässig. Ersteres führt zu den Schmerzen, unter denen die meisten Menschen, je älter sie werden, umso schlimmer leiden, zu Arthrose und Bandscheibenschäden, zu Unbeweglichkeiten sowie zu Krankheiten, weil die Zellen unterversorgt werden und im eigenen Abfall ersticken, was zur Entartung führen kann.

 

Die gute Nachricht ist: Im Gegensatz zum verfilzten Wollpullover können wir unsere Faszienstruktur in jedem Alter wieder in die gesunde Scherengitterstruktur umweben. Wie? Indem wir unsere Beweglichkeit systematisch erhöhen und die rückeroberten Winkel regelmäßig nutzen. Am besten mit dafür speziell entwickelten Engpassdehnungen und dem Faszien-Yoga. Mit nur 15 Minuten täglich kommen Sie spürbar voran.

Von Dr. med Petra Bracht, Mitbegründerin der Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht

Sitzen ist das neue Rauchen

Über die großen gesundheitlichen Gefahren des Sitzens – ich berichte seit Jahren darüber – sind sich nun endlich zunehmend Fachleute, auch international, einig. Natürlich sind diese Nachteile nicht identisch mit denen des Rauchens, aber je nach Dosierung kann Ihre Gesundheit langfristig auf so gut wie allen Ebenen darunter leiden.

Während Sie diesen Artikel lesen, sitzen Sie wahrscheinlich auch. Fast alle machen das so – durchschnittlich 11,5 Std täglich, die Zeit des „Schlafen in Sitzposition“ (in Seitenlage eins oder beide Knie angezogen) nicht berücksichtigt. Dadurch entsteht die neue „Sitzkrankheit“ – eine Fülle von Beschwerden, dadurch dass der Körper über viele Stunden täglich in bestimmten, durch den Stuhl fixierten, Gelenkwinkeln verharrt.

Die auffälligsten und quälendsten dabei sind Rückenschmerzen in allen 3 Bereichen der Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenkschmerzen sowie der damit einhergehende Verschleiß von Bandscheiben und Gelenkknorpeln (Arthrose). Damit nicht genug, kommt es immer schlimmer. Durch die zunehmenden Verkürzungen von Faszien und Muskeln und den „in den Keller gehenden“ Stoffwechsel, werden die Zellen in vielen Bereichen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt sowie der Stoffwechselabfall kann nicht mehr effizient abtransportiert werden. Die über Stunden unveränderte Körperposition und die Ruhigstellung der Gewebe in Bauch- und Brusthöhle schaffen Verdauungs- und Atemprobleme, geminderte Arbeitsleistung von Lungen, Nieren, Leber und Herz sowie Versorgungsprobleme durch eingeklemmte Nerven, Blut- und Lymphgefäße.

Bei meiner Arbeit mit Patienten wird mir immer wieder bewusst, wie ausweglos den meisten Menschen diese Veränderungen erscheinen, weil diese meist mit dem Älterwerden in Verbindung gebracht werden. Insbesondere die immer schlimmeren Schmerzen, die Schmerzmittel, die den Magen belasten oder das Denken einschränken, die Angst vor scheinbar unvermeidbaren Operationen und künstlichen Gelenken, machen für viele Menschen das Leben zunehmend weniger lebenswert.

Gott sei Dank kennen wir die Lösung für dieses Problem. So unglaublich das klingt: Wenn man verstanden hat wie dieses gesundheitliche Desaster zustande kommt und daraus resultierend den entsprechenden Ausgleich schafft, kann man sitzen wie bisher.  Das ist ja allein schon deswegen wichtig, weil das Sitzen aus unserem Berufs- und Privatleben ja gar nicht mehr wegzudenken ist. Schon diese beiden 2minütigen Übungen verschaffen Ihnen spürbare Erleichterung und zeigen Ihnen woraus die Lösung besteht: Legen Sie im Stand beide Handflächen auf die Gesäßhälften und drücken Sie zunehmend Ihre Leisten nach vorne. Lassen Sie Ihre gestreckt zur Seite gehaltenen Arme in einer Ecke von den Wänden zunehmend nach hinten drücken. Lassen Sie einen deutlichen Dehnungsschmerz zu, bei dem Sie aber nicht gegenspannen müssen. Anschließend kennen Sie den Weg, auf dem die Lösung zu finden ist.

Von Dr. Petra Bracht, Mitbegründerin der Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht